Werthers Selbstmordphantasien durchziehen das ganze Buch. Interessant sein suizidales Agieren im Gespräch mit Albert:

... und mit einer auffahrenden Gebärde drückte ich mir die Mündung der Pistole übers rechte Aug' an die Stirn. - „Pfui!" sagte Albert, indem er mir die Pistole herabzog, „was soll das?" „Sie ist nicht geladen," sagte ich. - „Und auch so, was soll's?" versetzte er ungeduldig. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Mensch so töricht sein kann, sich zu erschießen; der bloße Gedanke erregt mir Widerwillen."
„Daß Ihr Menschen," rief ich aus, „um von einer Sache zu reden, gleich sprechen müßt: ,das ist töricht, das ist klug, das ist gut, das ist bös!c Und was will das alles heißen?"... (WA I, 19, 65)

Werther also relativierend, während Albert auf seinem festen Standpunkt beharrt. Bei allem Streit und aller Konkurrenz um Lotte imponiert er Werther gerade in seiner ruhigen Gelassenheit:

Am 30. Julius.
Albert ist angekommen, ... Ein braver, lieber Mann, dem man gut sein muß. .. .Indes kann ich Alberten meine Achtung nicht versagen. Seine gelassene Außenseite sticht gegen die Unruhe meines Charakters sehr lebhaft ab, die sich nicht verbergen läßt. .. (WA I, 19, 58 f.)

Albert in sich ruhend, während Werther sich innerlich leer fühlt. Ver-geblich versucht er3 diese narzißtische Leere durch Arbeit oder durch
Lottes Liebe zu füllen.

Am 22. August.
Es ist ein Unglück, Wilhelm, meine tätigen Kräfte sind zu einer unruhigen Lässigkeit verstimmt, ich kann nicht müßig sein und kann doch auch nichts tun. Ich habe keine Vorstellungskraft, kein Gefühl an der Natur, und die Bücher ekeln mich an. Wenn wir uns selbst fehlen, fehlt uns doch alles. ... Oft beneide ich Alberten, den ich über die Ohren in Akten vergraben sehe, und bilde mir ein, mir wäre wohl, wenn ich an seiner Stelle wäre! ... (WAI, 19,77)

Und am 27. Oktober des folgenden Jahres:

Ich möchte mir oft die Brust zerreißen und das Gehirn einstoßen, daß man einander so wenig sein kann. Ach, die Liebe, Freude, Wärme und Wonne, die ich nicht hinzubringe, wird mir der andere nicht geben, und mit einem ganzen Herzen voll Seligkeit werde ich den andern nicht beglücken, der kalt und kraftlos vor mir steht. (WA I, 19. 126 f.)

Während Werther empfindlich und in höchstem Maße kränkbar er-scheint, ist Tasso sein Ebenbild darüber hinaus sensitiv und paranoid.
Schon vor seinem ersten Auftritt wird er vom Herzog so geschil-dert:

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